Freitag, 16. März 2012

Betriebsverfassungsrechtliche Schwellenwerte und Leiharbeit

Seit der letzten großen Betriebsverfassungsrechtsreform sind Leiharbeiter im Entleiherbetrieb wahlberechtugt, wenn sie länger als drei Monate eingesetzt sind - § 7 Satz 2 BetrVG. Diese Regelung hatte vorübergehend die Befürchtung aufkommen lassen, dass Leiharbeiter nun bei den betriebsverfassungsrechtlichen Schwellenwerten zu berücksichtigen seinen, etwa bei der gem. § 9 zu ermittelnden Stärke des Betriebsrats. Beruhigung trat nach der Entscheidung des 7. Senats des BAG ( NZA 2004,1340) ein, wonach Leiharbeiter nicht zu den Arbeitnehmern des Entleiherbetriebes gehören sollen und bei der Feststellung der Belegschaftsstärke i.S.d. § 9 BetrVG nicht zu berücksichtigen seien.

Am 18.10. 2011 hat nun der 1. Senat festgestellt, dass bei der Ermittlung der maßgeblichen Belegschaftsgröße i.S.d. § 111 BetrVG Leiharbeiter, die länger als 3 Monate im Entleiherbetrieb eingesetzt werden, mitzuzählen sind (NZA 2012, 221). Der Entscheidung lag eine Klage auf Nachteilsausgleich gem. § 113 BetrVG zu Grunde, weil die beklagte Arbeitgeberin eine Betriebsänderung in Form der Betriebseinschränkung durchgeführt hatte und einen Interessenausgleich i.S.d. § 112 BetrVG nicht wenigstens versucht hatte. Die beklagte Arbeitgeberin beschäftigte regelmäßig 20 Arbeitnehmer und eine Leiharbeitnehmerin für die Dauer eines knappen Jahres. Das Unternehmen lag damit genau an der Schwelle der für die Beteiligungsrecht des Betriebsrats bei Betriebsänderungen maßgeblichen Größe von "mehr als zwanzig" wahlberechtigten Arbeitnehmer (§ 111 BetrVG).

Der 1. Senat führt aus, dass es bei der Frage, ob Leiharbeitnehmer bei dem Begriff "wahlberechtigte Arbeitnehmer" mitzählen , auf den jeweiligen Normzweck ankomme. Zweck der Schwelle in § 111 BetrVG sei, kleinere Unternehmen vor einer finanziellen Überforderung durch Sozialpläne zu schützen, es soll der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit Rechnung getragen werden. Dabei sei zu berücksichtigen, dass Leiharbeitnehmer Arbeitsplätze im Betrieb besetzen und dass für diese zwar keine Arbeitsentgelt, aber eine Überlassungsgebühr an den Verleiher gezahlt werde. Dem Arbeitgeber entsünden dadurch Personalkosten, die bei der Frage der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit wie "normale" Entgelte mit zu berücksichtigen seien. Deshalb seien wahlberechtigte Leiharbeitnehmer mit zu berücksichtigen, da nur so die Beteiligungsrechte des Betriebsrats sichergestellt werden könnten.

Bedenkt man allerdings, dass einer der Gründe für Leiharbeit u.a. auch ist, dass man bestimmte Schwellenwerte nicht überschreitet, ist diese Entscheidung sicherlich nicht geeignet bei KMU Freude auszulösen. Angesichts der Tatsache, dass das BetrVG - wie das Arbeitsrecht insgesamt - viele unterschiedliche Schwellenwerte kennt, ist die Entscheidung sicher auch kein Beitrag zur Rechtssicherheit in Kleinunternehmen.

IKS

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen