Donnerstag, 15. November 2012

Vorlage der Arbeitsunfähigkeitsbe-scheinigung bereits am ersten Tag

Das BAG hat gestern entschieden, dass das Vorlageverlangen  nach § 5 Abs. 1 Satz 3 EFZG in nicht gebundenem Arbeitgeberermessen steht. Insbesondere ist es nicht notwendig, dass der Verdacht besteht, dass der betroffene Arbeitnehmer in der Vergangenheit bereits eine Arbeitsunfähigkeit vorgetäuscht hat.

http://juris.bundesarbeitsgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bag&Art=pm&Datum=2012&nr=16297&pos=0&anz=78&titel=Vorlage_einer_ärztlichen_Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung

Die Entscheidung stellt klar, dass auch gilt, was im Gesetz steht und überrascht angesichts der Entstehungsgeschichte des Gesetzes eigentlich nicht. Der ursprüngliche Entwurf sah eine Vorlagepflicht ab dem ersten Tag vor. Erst im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens wurde eine grundsätzliche Vorlagepflicht erst nach dem dritten Tag der Arbeitsunfähigkeit eingeführt. Gleichzeitig wurde dem Arbeitgeber aber das Recht eingeräumt die frühere Vorlage verlangen zu dürfen. Man wollte mit der Änderung der Befürchtung entgegenwirken, dass mit einer Vorlagepflicht ab dem ersten Tag auch ein Anreiz für eine länger als notwendig attestierte Arbeitsunfähigkeit geschaffen wird. Anders ausgedrückt, die Wahrscheinlichkeit, dass ein Arbeitnehmer beim Arzt bescheinigt bekommt, dass er bereits nach einem Tag wieder arbeitsfähig sein wird, ist gering. Normalerweise wird der Arzt eine Arbeitsunfähigkeit für mehrere Tage attestieren, auch wenn dies nicht immer notwendig sein wird.

Bei einer generellen betrieblichen Regelung zur früheren Vorlage der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ist jedoch das Beteiligungsrecht des Betriebsrats gem. § 87 Abs. 1 Nr. BetrVG (BAG AP Nr. 34 zu § 87 BetrVG 1972 Ordnung des Betriebes) zu beachten. Einzelfallentscheidungen dürften davon ausgenommen sein.

2 Kommentare:

  1. Ich finde das sehr erfrischend, endlich auch mal zu lesen, was die Tagespresse verschweigt: Dass das eigentlich alles gar nicht neu ist und auch nicht erst einer BAG-Entscheidung bedurfte (die ja streng genommen gar keine war, oder?)... interessant finde ich, dass bisher jede Instanz dieses WDR-Falles ein solches Presseecho hervorgerufen hat, obwohl die Klägerin schon ziemlich früh hat erfahren müssen, dass mit einem substantiierten Sachvortrag zur angenommen betrieblichen Übung (oder auch zur Gleichstellung) vielleicht sogar eine Entscheidung in ihrem Sinne möglich gewesen wäre.

    Da wäre dann auch am Ende vielleicht interessantere Rechtssprechung zur erlaubten oder unerlaubten "Willkürlichkeit" der unterschiedlichen Verfahrensweisen innerhalb eines Unternehmens herausgekommen...

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  2. http://www.tagesspiegel.de/berlin/auch-krankheit-ist-vertrauenssache/7395384.html

    Diesen Satz finde ich bemerkenswert: "Er sieht im Urteil eine „unnötige Stärkung der Arbeitgeber durch den Gesetzgeber“."

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