Dienstag, 4. November 2014

Klage von Mappus gegen Anwaltskanzlei – Ein Fall aus dem allgemeinen Schuldrecht und zugleich wunderbar geeignet für eine Prüfungsaufgabe

In der Tagespresse wird darüber breit berichtet[1]: Kürzlich hat der ehemalige Ministerpräsident des Landes Baden-Württemberg die bekannte Wirtschaftskanzlei Gleiss Lutz vor dem Landgericht Stuttgart auf Schadensersatz in sechsstelliger Höhe verklagt. Der mündliche Verhandlungstermin hat vor ein paar Tagen stattgefunden. Im Januar 2015 will das Gericht entscheiden, wie es mit dem Verfahren weitergeht.

Hintergrund der Klage ist die Beratung des Landes Baden-Württemberg durch Gleiss Lutz beim Rückerwerb der Aktien des Energieunternehmens EnBW vom französischen Versorger EdF: Dieser Deal war seinerzeit in die Schlagzeilen geraten, weil ihn Mappus am Parlament vorbei auf ein Notbewilligungsrecht der Landesverfassung gestützt hatte. Das hat der Staatsgerichtshof als verfassungswidrig angesehen, da die Voraussetzungen für das Notbewilligungsrecht – insbesondere die besondere Eilbedürftigkeit – gar nicht vorgelegen hätten. Seitdem streiten sich Mappus, der wegen des EnBW-Deals bereits strafrechtliche Ermittlungen über sich ergehen lassen musste, und Gleiss Lutz, ob die Kanzlei hinreichend über die verfassungsrechtlichen Risiken aufgeklärt hat.

Dennoch überrascht die Klage von Mappus auf Schadensersatz (bei den Schäden dürfte es hauptsichtlich um Anwaltskosten gehen, die Mappus insbesondere im Zuge der strafrechtlichen Ermittlungen und der Befragung durch den Untersuchungsausschuss des Landtages tragen musste): Mappus selbst war nämlich gar nicht Vertragspartei des Beratungsvertrages mit Gleiss Lutz, sondern hat das Land-Baden-Württemberg beim Vertragsschluss lediglich vertreten – damit kann er grundsätzlich auch keine eigenen vertraglichen Ansprüche haben. Auch deliktische Ansprüche dürften nicht bestehen: § 823 BGB erfasst keine reinen Vermögensschäden und eine sittenwidrige Schädigung auf Grundlage von § 826 BGB lässt sich auf Grundlage des bekannten Sachverhaltes sicher nicht begründen. Die naheliegende Frage ist daher, auf welche Anspruchsgrundlage Mappus seine Schadensersatzansprüche überhaupt stützen will.

Helfen könnte Mappus nur die Berufung auf den gewohnheitsrechtlich anerkannten so genannten Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter – ein Rechtsinstitut, das auch allen Wirtschaftsrechtsstudenten bekannt sein sollte, die an der Vorlesung BGB/HGB 1 und 2 teilgenommen haben: Dieses Rechtsinstitut erlaubt auch Nichtvertragsparteien, Haftungsansprüche gegen eine Vertragspartei geltend zu machen, wenn sie mit der Erbringung der Vertragsleistungen bestimmungsgemäß in gleicher Weise in Berührung kommen wie der eigentliche Vertragspartner (Leistungsnähe). Zusätzlich verlangt die Rechtsprechung, dass der Gläubiger an der Einbeziehung ein schutzwürdiges Interesse hat (Gläubigernähe), der Schuldner dies bei Vertragsschluss erkennen konnte (Erkennbarkeit) und der Dritte zuletzt auch schutzwürdig ist, weil er keine gleichwertigen vertraglichen Ansprüche gegen einen anderen Schuldner geltend machen kann (BGHZ 133, 168).

Schaut man sich diese Voraussetzungen einmal näher an, ist aber schon das Bestehen der geforderten Leistungsnähe zweifelhaft: Denn der Rückkauf der Aktien hat sich in erster Linie (und zwar sehr nachteilig) auf das Vermögen des Landes Baden-Würrtemberg als dem Investor des geplanten Deals ausgewirkt. Die von Mappus erlittenen Schäden in Form von Anwaltskosten sind daher wohl nur die Folge der politischen und strafrechtlichen Aufarbeitung des EnBW-Deals, resultieren aber nicht daraus, dass Mappus den Risiken einer Leistungsstörung (hier in Form möglicherweise verletzter Aufklärungspflichten) in gleicher Weise wie das Land Baden-Würrtemberg ausgesetzt war.

Damit dürfte die Klage wohl scheitern. Spannend bleibt es trotzdem: Denn die Kanzlei Bub&Gauweiler, die Mappus in der Schadensersatzklage vertritt, hat auch die Klage von Leo Kirch bzw. seinen Erben gegen die Deutsche Bank zu einem erfolgreichen Ende geführt: Hier hätte am Anfang wahrscheinlich auch niemand vermutet, dass der legendäre Satz von Rolf Breuer (seinerzeit Vorstandssprecher der Deutschen Bank) im Fernsehinterview mit dem Sender Bloomberg („Was alles man darüber lesen und hören kann, ist ja, dass der Finanzsektor nicht bereit ist, auf unveränderter Basis noch weitere Fremd- oder gar Eigenmittel zur Verfügung zu stellen.“) tatsächlich zu einer Haftung der Deutschen Bank in Höhe von rund € 925 Mio. führen würde, weil dadurch angeblich die Insolvenz der Kirch-Gruppe verursacht wurde.

Bericht von Prof. Ostendorf


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